Mit der Langstrecke Dortmund Dezember 2023 hatte meine Ruderkarriere ein jähes Ende gefunden. Infolge eines funktionalen Kompartmentsyndroms habe ich seitdem eine Parese des linken Unterarms und war das vergangene Jahr damit beschäftigt, mich und mein Leben mit dieser körperlichen Beeinträchtigung neu zu sortieren. Lange konnte ich mir nicht vorstellen, mich überhaupt wieder ins Boot zu setzen. Aus diesem Grund habe ich mich ein knappes Jahr im Lateinamerikanischen (Formations-)Tanz ausprobiert, aber meine Leidenschaft für den Rudersport war nach wie vor ungebrochen und mein Talent beim Tanzen rudertypisch unterentwickelt. Um den Jahreswechsel herum keimte in mir immer mehr der Wunsch, es doch noch einmal im Boot zu probieren. Nach mehr als 14 Monaten und einer Orthese, die es mir ermöglicht, meine Hand am Skull zu fixieren, habe ich mich im März 2025 zunächst in den Doppelzweier gesetzt. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten funktionierte das Rudern dann aber doch besser als gedacht. So habe ich mich bereits zwei Wochen später in den Einer gewagt. Das Boot wieder zum Laufen zu bringen war ein tolles Gefühl! Warum also sollte ich meine Ruderkarriere nicht wieder aufnehmen und jetzt im Parasport weiterführen.

Gestartet und gewonnen: Philipp Dosse nach dem Einer-Rennen (Fotos: DRV/meinruderbild)
Den ersten Schritt auf diesem Weg sollte ich in Leipzig (29. bis 30. März 2025) als erste Leistungsüberprüfung der nacholympischen Saison machen. Am Samstag früh musste ich mich auf dem Ergo beweisen. Nach nur wenigen Wochen Training war ich sehr glücklich, eine Zeit von 06:27 Minuten erreicht zu haben, auch weil mein Fokus zunächst auf Wasserkilometern lag. Erst im Anschluss daran fand meine nationale Klassifizierung für Sportlerinnen und Sportler mit körperlichen Einschränkungen statt, wo ich in den PR3-Bereich eingestuft wurde. Am Sonntag ging es dann im Doppelzweier auf die 6.000 Meter lange Strecke, bei der ich mit meinem weiblichen Guide als Zweiter ins Ziel kam.
Beim Pararudern werden drei Klassifizierungen (PR1, PR2 und PR3) in Abhängigkeit der noch ausführbaren Ruderbewegungen unterschieden. Im PR1- und PR2-Bereich haben die Sportler keine Rollschiene und anstelle dessen einen festverbauten Sitz. Während PR2 klassifizierte Sportler noch Hüftbeugungen ausführen können, kommt die Ruderbewegung im PR1-Bereich nur noch aus der Schulter und den Armen. Im Gegensatz dazu können die PR3-Sportler die Ruderbewegung vollständig ausführen.
Die Klassifizierung machte es möglich, dass ich nach dem Ruderwochenende in Leipzig die Deutschen Kleinbootmeisterschaften in Brandenburg (11. bis 13. April 2025) ins Auge fassen konnte. Dort durfte ich sowohl im Einer als auch im Doppelzweier mit Susanne Lackner (Mannheimer RV Amicitia) an den Start gehen. Am Samstag haben lediglich Bahnverteilungsrennen stattgefunden. Am Sonntag ging ich bereits im zweiten Rennen des Tages im Einer an den Start und konnte das Rennen für mich entscheiden. Bereits zwei Stunden später lag ich mit meiner Zweierpartnerin wieder am Start. Zwischenzeitlich hatte der Wind aufgefrischt und die Bedingungen waren mit unruhigem Wasser sehr herausfordernd, was mich als Hamburger wenig aus der Ruhe gebracht hat. Nach anstrengenden 2.000 Metern sind wir dann als Dritte über die Ziellinie gefahren und konnten damit bei den Kleinbootmeisterschaften die Bronze-Medaille gewinnen. Nach lediglich einem spontanen gemeinsamen Trainingswochenende und wenigen Bootskilometern können wir mit diesem Ergebnis zufrieden sein.
Nun geht es für mich nach Ostern für eine knappe Woche zur Mannschaftsbildung nach Essen. Dort entscheidet sich unter anderem, in welchem Boot ich diese Saison fahren werde. Die paralympischen Boote im PR3-Bereich bestehen aus dem PR3 Mix 2x und dem PR3 Mix 4+. Sollte mir die Qualifizierung für eines der Boote gelingen, wäre noch die internationale Klassifizierung auf dem ersten Welt-Cup in Varese/ Italien (13. bis 15. Juni 2025) notwendig.
Es bleibt also weiter spannend!