Ein Bericht anlässlich des 175-jährigen Jubiläums des AAC/NRB im Jahre 2019

Der Bericht von Peter Kelting, Helmut Binder, Peter Schmidt und Lars Christiansen erschien in der Galeere April/Mai 2019. Für diese Wiederveröffentlichung haben Kai Warnholtz und Christian Meister Bildmaterial von den Regatten und Frank Gulston aus dem Club-Archiv ergänzt. 

Zum 175-jährigen Jubiläum des Hamburger Landesruderverbandes AAC/NRB war natürlich auch der Club einer der Gratulanten. Unter den zahlreichen Berichten zur historischen Entwicklung des Dachverbands aller Hamburger Rudervereine fanden sich viele Würdigungen, die die Ergebnisse des AAC/NRB bei der Integration der sehr unterschiedlich organisierten Hamburger Ruderclubs und Vereine lobten.

Dieser Wandel war dem AAC/NRB allerdings nicht in die Wiege gelegt worden, als gleich zwei heute im Club vertretene Vereine im Jahre 1844 den Allgemeinen Alster Club mitgründeten, um kurz darauf die erste organisierte Regatta Deutschlands auf der Außenalster abzuhalten. Die in den AAC-Clubs vertretene bessere Gesellschaft nutzte den damals noch jungen Trendsport Rudern, um sich gesellschaftlich darzustellen. Dieser neue bürgerliche Wille zur Repräsentation spiegelte sich auch in der imponierenden Ausstattung von Festen und Regatten wider.

Anlässlich des Jubiläums haben die Club-Archivare in den Pokalschrank geschaut, um Hamburger Rudergeschichte, die der AAC stets begleitet hat, lebendig werden zu lassen. Zwei große Siegerpokale, die heute den Pokalschrank des CLUB zieren, stammen aus den Jahren 1904 und 1906, aus einer Zeit, in der die in Hamburg jährlich abgehaltenen Ruderregatten noch vor zahlreichen Zuschauern auf der Außenalster ausgefahren wurden. Gestiftet wurden die Pokale für den siegreichen „Achter für Juniors“ im Andenken an A.O. Schumacher, den Begründer des Hamburger Schulruderns und AAC-Vorsitzenden.

 

Frank Gulston stand 1904 als Trainer und geschickter Renntaktiker hinter den Siegen des Germania RC

Zahlreiche Vereine aus Norddeutschland und darüber hinaus nahmen an der jährlich ausgetragenen Hamburger Regatta, dem Vorläufer der Norddeutschen Meisterschaften, teil. Gerudert wurde damals vom Bootssteg vor dem Atlantic-Hotel eine 2000 Meter lange Strecke, die vor den gut besetzten Zuschauerrängen am Uhlenhorster Fährhaus ihr Finale fand.

Frank Gulston

Frank Gulston, aufgenommen bei der Regatta 1904 (Bild: Club-Archiv)

Der CLUB nahm damals gleich zweifach an den Veranstaltungen teil, denn sowohl Der Hamburger Ruder Club als auch der Germania Ruder Club waren vor ihrem Zusammenschluss im Jahre 1934 beide jeweils im AAC vertreten und standen bei den Regatten somit in sportlich verbundener Konkurrenz zueinander. 1904 und 1906 holte jeweils der Junior-Achter der Germania den Pokal nach Hause, damals in das Bootshaus am Anfang des Langen Zugs, das heute in völlig veränderter Form den Schulruderern als Unterkunft dient.

Der Germania RC galt damals als besonders ambitioniert. So hatte der Vorstand extra einen Trainer aus England, der Heimat des Rudersports, verpflichtet, um den eigenen Sportlern mit modernsten Trainingsmethoden und Technik zu mehr Leistung zu verhelfen. Francis Stepney Gulston, genannt Frank Gulston, blickte auf eine äußerst erfolgreiche Karriere als Ruderer zurück: Er hatte als Athlet bei der Royal Regatta in Henley selbst mehrfach teilgenommen und dort insgesamt 20 Medaillen gewonnen, ein unerhörter Erfolg, der ihn im vornehmen London Rowing Club als Captain sportlich und gesellschaftlich aufwertete. Auf die Position des Trainers gewechselt, galt er als technisch versiert und besonders gründlich. Das brachte ihm den Ruf an die Alster nach Hamburg ein. Als Trainer des Germania RC fuhr er, stets im Anzug mit Bowler, in einer weißen Motor-Barkasse neben den Ruderbooten (siehe Titelbild) und gab von dort den Sportlern Anweisungen.

So auch bei der großen Regatta auf der Außenalster am 17.07.1904. Die Chronik von Germania berichtet darüber:

Am ersten Regattatag war ziemlich starker Nordwestwind, … der Wind flute aber zum Schluss der Regatta immer mehr ab. In unserem Bootshaus hatten wir wieder die Mannschaften des Bremer Ruder Vereins von 1882 aufgenommen, ferner … Skuller vom Mainzer-Ruder-Verein.

Germania kann samstags im Achter gegen Hannover, den Hamburger Ruder Club, Bremen, Berlin, Kopenhagen und Kiel zunächst nur einen zweiten Platz herausrudern. Damit ist der ehrgeizige Club aber noch nicht zufrieden. Nach den unvermeidlichen und umfangreichen abendlichen Gesellschaftsessen mit den Vertretern der hiesigen und auswärtigen Ruderclubs und Honoratioren, kommt man dann deshalb noch mal auf die laufende Regatta zurück. Für den Folgetag überdenkt man noch einmal die Renntaktik. Frank Gulston, der englische Trainer, schlägt vor, die besten Männer in den Junior-Achter zu setzen und sich auf dieses Rennen zu konzentrieren. Am Sonntagmorgen rudert die von Gulston quasi in letzter Minute umbesetzte Junioren-Mannschaft gegen Allemannia, Bremen, Berlin, Lübeck und die Favorite Hammonia. Die Chronik erinnert sich:

Bei 1500 Meter führt Germania, welche auf der Harvestehuder Seite das Wasser von Allemannia genommen hat mit fast einer Länge vor Lübeck. Im Boot der Germania ist ein Mann flau geworden, der nur noch mechanisch mitarbeitet und zeitweise ganz mit Rudern aufhört. Der Junior-Achter kann den Vorsprung allerdings nach Hause fahren und siegt knapp vor Lübeck.

Gulstons Taktik war also aufgegangen, was anschließend natürlich von den Sportlern der Germania und den in- und auswärtigen Gästen gebührend gefeiert wird. 1906 gelingt es Gulston erneut, den Junioren-Achter siegreich vor Obotrit Schwerin und Lübeck auf dem Siegerpodest zu platzieren.

Aus der zeitgenössischen Berichterstattung rund um die Regattataktik und Abenddinners gewinnt man einen guten Eindruck, wie es vor rund hundert Jahren sportlich anspruchsvoll und gesellschaftlich repräsentativ zuging. Diese sportlich-weltoffene Tradition setzt der AAC/NRB mit den Änderungen durch die Geschichtsbrüche des 20. Jahrhunderts bis heute fort und hat sich gleichzeitig dem gesellschaftlichen Wandel nicht verschlossen.

 

Weiterführende Links:

175 Jahre AAC – die Geschichte dahinter. Von Marcus Grän.

Francis Stepney Gulston, geb. 1845 in Llandilofawr (Wales), gest. 1917 in Putney, englischer Ruderer und Rudertrainer. Als erfolgreicher Henley-Ruderer und Mitglied des London-Rowing Club findet seine sportliche Karriere Erwähnung in der Chronik zum 150-jähringen Bestehen des LRC. Vom Erfolg als Rudertrainer in Hamburg zeugen im Club neben den Pokalen noch heute der gern geruderte Empacher-Renndoppelzweier Frank Gulston.