Vom 6. bis zum 9. November fand die diesjährige Coastal-Weltmeisterschaft in Antalya (Türkei) statt. Das bedeutete einen kompletten Wechsel vom Steuern im Achter hin zum Sprinten über den Strand, den präzisen Sprung ins Boot, Bojen umfahren sowie schnelle Wenden.
Ich hatte dieses Jahr die Ehre, den deutschen Mixed-Vierer (CMix4x+) auf der Weltmeisterschaft zu steuern. Es war eine riesige Chance, meine Erfahrungen als Steuerfrau auf ein neues Level zu bringen. Am 25. Oktober ging zunächst mein Flieger zur unmittelbaren Wettkampfvorbereitung, kurz UWV, nach São Martinho do Porto in Portugal. Meine Coastal-Kenntnisse zu dem Zeitpunkt waren definitiv sehr überschaubar. Mit einer Trainingsregatta gegen Schweden in Rotterdam war ich, würde ich sagen, nicht die erfahrenste Steuerfrau. Ich wurde jedoch von meiner Mannschaft sehr herzlich aufgenommen und mir wurden einige Fehler verziehen − wie zum Beispiel beim Steuern während des Surfens einer Welle oder beim Kegeln einer Boje. Die Vorbereitung insgesamt lief, mit anderen Worten, sehr durchwachsen. Wir hatten zudem oft Ausfälle wegen Krankheit im Boot, weshalb bestimmt jeder Anwesende, vom Boathandler bis hin zum Bundestrainer, schon in diesem Vierer saß, damit der Rest der Mannschaft die Einheit nicht auf dem Ergo verbringen musste.

Mit einem schnellen Sprint startet das Rennen. Fotos: rudern.de
Man könnte meinen, dass Steuerleute nur sitzen und brüllen. Beim Coastalen ist es jedoch ganz anders. Ich bin die Person, die den Startsprint über den Strand läuft und anschließend ideal in das Boot springt. „Ideal“ ist hier sehr entscheidend, da ich nach der ersten Startübung und dem ersten Sprung in das Boot einen persönlichen Ausflug mit unserer Physiotherapeutin in ein portugiesisches Krankenhaus gemacht habe und dieses damit auch einmal begutachten durfte: Ich war beim Hineinspringen in das Boot ziemlich unglücklich ausgerutscht und mit meinem Fuß in das Stemmbrett meines Schlagmannes gekracht. Zum Glück war nichts gebrochen, laufen war jedoch nicht mehr angesagt, und das Einsteigen wurde erstmal nicht mehr geübt. Da ein einziger Unfall selbstverständlich nicht reichte, durften wir kurz darauf nochmal die Kraft des Wassers testen und haben uns beim Anfahren auf den Strand durch den Sog der Welle quergelegt und samt 150-kg-Boot einmal überschlagen. Wir sind mit einigen Prellungen und einer abgebrochenen Dolle sehr gut davongekommen und haben weiter nach vorne gesehen und an uns als Team gearbeitet. Man kann also sagen, dass wir bestens auf die WM vorbereitet waren … Immerhin wussten wir nun, wie wir in brenzligen Situationen vorgehen müssen.

Jette Hansen
Vom 2. bis zum 3. November sind wir dann letztendlich nach einem Zwischenstopp in Istanbul in unserem eigentlichen Ziel, Antalya, gelandet. Während der ersten zwei Tage konnten wir uns als Mannschaft noch einmal sammeln und zwei sehr gute Trainingstage hinter uns bringen, bevor dann am 6. November unser erstes Rennen (Time-Trial) anstand. Hier fährt jedes Boot in einem Abstand von einer Minute einzeln den gesamten Kurs ab (Slalom hin, 90-Grad-Wende, noch eine 90-Grad-Wende und eine gerade Strecke zurück zum Strand). Dabei werden die Zeit gemessen und die K.-o.-Rennen für den nächsten Tag gesetzt. Mit der siebtschnellsten Zeit von insgesamt 14 Booten wurden wir dann nach dem System mit dem zehnten Platz für unser erstes Knock-out-Rennen zusammengesetzt. Klingt erstmal ganz gut, wir durften Irland jedoch nicht unterschätzen, da es immer sein kann, dass es ein Problem beim Time-Trial gab und das Team nur deshalb langsamer war.
Glück für uns! Trotz einiger Probleme beim Laufen meinerseits lief das Rennen so gut wie noch nie. Wir haben perfekt die zweite Boje umgehauen, sind super um die Wende gekommen und konnten auf dem Rückweg noch eine Welle mitnehmen bzw. surfen. Somit haben wir für uns einiges wettgemacht, was vorher schiefgelaufen ist! Mit Abstand konnten wir also gegen die Iren gewinnen und sicherten uns einen Platz im Viertelfinale.
Mit diesem perfekten Rennen haben wir schon eine sehr gute Leistung gezeigt und konnten zuversichtlich auf unser nächstes Rennen zugehen. Da wir an diesem zweiten Renntag gegen Irland die schnellste Zeit von allen Booten gefahren sind, stand uns ein extrem harter Gegner bevor. In unserem Viertelfinale durften wir gegen die USA antreten. Diese konnten aufgrund ihrer Zeit im Time-Trial den Tag regenerieren, an dem wir uns erst unseren Platz im Viertelfinale erkämpfen mussten. Wir hatten jedoch den Vorteil, dass wir dadurch einmal mehr üben konnten. Wir haben definitiv keinen Mut verloren und sind mit viel Motivation und einem dick getapten Fuß ins Rennen gegangen. Es ging nun um den Einzug ins Halbfinale. Wir wussten, dass die USA uns physisch überlegen sind, haben uns dadurch jedoch nicht aus der Fassung bringen lassen. Wir haben, genau wie im Rennen gegen die Iren, alles gegeben, genauso präzise gearbeitet und bis zum letzten Meter gekämpft. Da die USA ebenfalls keinen einzigen Fehler gemacht haben und keine falsche Welle kam, mussten wir uns gegen unsere Gegner geschlagen geben. In den Eins-gegen-eins-Systemen ist es sehr bitter: Entweder man gewinnt oder man verliert, eine zweite Chance gibt es nicht. Trotz unserer Niederlage konnten wir stolz auf unsere Wettkämpfe zurückschauen, haben wir uns doch Rennen für Rennen zeitlich und als Team verbessert. Wir haben uns von allen Booten den siebten Platz hart erkämpft und konnten diese Reise mit gutem Gewissen und Freude auf die nächsten Abenteuer, mit einer neuen zweiten Familie und unvergesslichen Erinnerungen beenden.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei der gesamten Clubfamilie bedanken. Nur Dank Eurer Unterstützung konnte ich mit der Deutschen Coastal-Nationalmannschaft unseren Club auf der Weltmeisterschaft repräsentieren und mich und meine Erfahrung weiter voranbringen. Ich bin sehr stolz darauf, eine noch so junge, aber wachsende Seite des Ruderns kennengelernt zu haben, und freue mich riesig auf alles, was da noch kommt.