Der Artikel von Renate Schatzmann über diese Wanderfahrt erschien in der Galeere Juni/Juli 2019 als “Im Boot mit gewitzten Mirowkesen”. Warum erscheint er jetzt auch auf der CLUB-Webseite? Die Webseite und die Galeere begreifen sich weniger als Konkurrenz. Wichtiger sind die jeweiligen Vorteile der Medien. Die Galeere eignet sich ganz vorzüglich für die längeren Texte, wie hier der Text von Renate. Die Webseite wiederum ist nicht nur ideal für die schnelle Meldung, sondern man hat auch mehr Platz für Bilder. In diesem Fall spielt sie ihre Möglichkeit aus, mehr von den atmosphärischen Schwarz-Weiß-Bildern zur Wanderfahrt beizusteuern, als dies im Heft aus Platzmangel möglich ist.
Für alle, die selbst die zeitlose Erfahrung auf der Müritz rund um Mirow und Rheinsberg erfahren möchten, hier die wichtigsten Kontakte: Boote verleiht der Ruderverein Blau-Weiß Mirow. Das Bootshaus liegt gleich neben der Schlossinsel. Und direkt auf der malerischen Schlossinsel waren wir auch in der rustikalen Alten Schlossbrauerei abgestiegen.
Im Boot mit gewitzten Mirowkesen
Seit Jahrzehnten schon gehört zu Pfingsten die Wanderfahrt auf norddeutschen Gewässern zur CLUB-Tradition. Auch die Schlossinsel in Mirow mit ihrem wunderschön renovierten Schlossensemble – der Residenz der Herzöge von Mecklenburg –Strelitz und dem ehemaligen Kavaliershaus – war bereits oft Ausgangspunkt dieser Fahrten durch die idyllische Seenlandschaft, von denen ich die habitués immer habe schwärmen hören, auch oder gerade dann, wenn die Touren nicht ganz wie geplant verliefen. Ich selbst war bisher über das Ruderrevier rund um die Alster nicht hinaus gekommen, daher lange schon neugierig, und als in diesem Jahr eine zweite Frau gesucht wurde, um ein Doppelzimmer zu komplettieren, musste ich mich einfach melden. Alles machbar, versicherte PeterLougear, nur nette Menschen dabei, alles erfahrene Ruderer, ein Newbie sei willkommen.
Also dann, auf zu den „gewitzten Mirowkesen“ ( Friedrich II.), die sich in der Geschichte der europäischen royal weddings einen besonderen Namen gemacht haben und daraus noch heute Kapital schlagen. Gleich drei Prinzessinnen aus dem kleinen Herzogtum Mecklenburg-Strelitz wurden an bedeutende europäische Königshäuser verheiratet, wobei man allerdings wissen muss, was der Werbeprospekt natürlich übergeht, dass sie so gefragt waren, eben weil sie aus einem ‚kleinen Haus‘ kamen. Eine Vereinigung zweier großer Dynastien barg größere Risiken im Blick auf das fragile Kräftegleichgewicht in Europa und mögliche Erbfolgekriege.
Klinkerboote – Montag, 20.5. 2019
Zwischen 12:00 und 13:00 Uhr: Ankommen auf der Seeterrasse der Alten Schlossbrauerei, gute Stimmung bei allen, Wiedersehensfreude, kleine Sticheleien, Gelächter, Vorfreude auf die nächsten Tage. Nach kleiner Stärkung Aufbruch zur ‚kleinen‘ Warming up – Tour, 20 km auf dem Mirower Haussee nach Norden. Die Boote: wahre Antiquitäten! Kenner loben die Kupferschrauben und die Klinkerbauweise. Ich finde sie vor allem enorm schwer. Auch die Ruder haben ein unerwartetes Gewicht. Liebe gute Asinus, wie ich dich vermisse!
Am nächsten Morgen werden wir die Dollen einfetten (gelobt sei Peter Lougear, der perfekt ausgerüstet ist) und dann geht alles wie geschmiert. Heimkehr fünf Minuten vor dem Gewitter, gefolgt von einem ergiebigen Landregen.
Schloss Rheinsberg – Dienstag, 21.5.2019
Heute soll es also ernst werden. Ziel der Fahrt: Rheinsberg, Fahrstrecke 28 Kilometer, drei Schleusen sind zu passieren. Das Wetter ist freundlich, die Vorhersage gut. Was die Stimmung weiter hebt: in Hamburg gießt es immer noch.
Gegen Mittag sind wir an der ersten Schleuse. Da wartet schon eine wahrhaft Besorgnis erregende lange Schlange von Motoryachten. Tja, der Schleusenwärter hat Mittagspause, von 12:00 -12:30 Uhr. Die steht ihm zu. Kann man nichts machen. Als sich aber eine Stunde später immer noch nichts bewegt hat, beg ibt sich Harald Fritze auf den Weg zum Schleusenmeister, um den Stand der Dinge zu erkunden. Der Schleusenwärter sei in einem Dienstgespräch, erfährt er, die Wartezeit könne aber auch leicht 2 bis 3 Stunden und mehr dauern ….. Alles klar? Alles klar!
Endlich öffnet sich aber dann doch das Schleusentor. Wir sortieren uns so platzsparend wie möglich ein, zwei Boote nebeneinander. Beim Ausfahren gibt es einen aufregenden Moment für mich, aber zum Glück habe ich ja 19 versierte Coaches. Während der Mittagspause telefoniert Peter Lougear allerdings mit dem Busunternehmen, das uns abholen soll, weil der Zeitplan nicht mehr einzuhalten ist. Die restliche Strecke ist noch lang. Schließlich erreichen wir Rheinsberg kurz vor sechs. Zum Glück sind die Portionen beim Abendessen keineswegs von loriotscher Übersichtlichkeit.
Bei Wind zurück nach Mirow – Mittwoch, 22.5.2019
Am nächsten Tag erreicht der Tiefausläufer doch noch die Region. Es nieselt zwar nur zeitweise, aber der Wind bläst kalt und ausdauernd stark aus Nord bis Nordost und schafft es, die Oberfläche der Seen in heftige Bewegung zu versetzen.
Ich würde am liebsten sofort in Rheinsberg s
tarten, aber es heißt wie bei Tucholsky: „Das Schloss. Das Schloss muss besichtigt werden“. Dann geht es aufs Wasser. Wer auf Schlag sitzt, hat wirklich zu kämpfen. Überholt uns ein größeres Schiff, schwappen die Wellen ins Boot. Ein Vergnügen ist das nicht mehr. Ich freue mich über jeden Kanal.
Trotz des Revirement bei der Bootsbesatzung verlieren die Boote schnell die Verbindung. Und nun sind wir in Sorge, dass der freundliche Schleusenwärter in Diemitz uns den Heimweg abschneidet, wenn wir nicht pünktlich vor seinem Feierabend eintreffen. Was sicherlich auch einem Boot passiert wäre, wäre es Sabine Haberland nicht gelungen, sämtliche Yachtbesitzer, die selbst schon stundenlang vor der Canower Schleuse warten mussten, weil der Betrieb wegen der Bauarbeiten stockte, davon zu überzeugen, sie vorzulassen.
Erleichterung, als alle vier Boote endlich in Mirow angelegt haben. Die Laune steigt noch, als die Frau unseres Ruderkameraden, der aus extra aus Freiburg mit dem Wohnmobil angereist war, uns am Steg mit einem herrlich wärmenden Ingwerschnaps begrüßt. Eine wahrhaft gute Idee! Das Herausheben der Boote geht dann fast wie von selbst. Und im Hotel beim Abendessen wird weiter gefeiert.
Rechlin – Donnerstag, 23.5.2019
Heute geht es zum Yachthafen Rechlin. Die Sonne scheint, der Wind ist eingeschlafen, Rudern im T-Shirt, herrlich! Auf der Rückfahrt gleitet unser Boot so mühelos durch den Kanal wie noch nie und weil es so gut klappt, wird der Kapitän gleich übermütig: statt simpel durch die Schleuse zu fahren, wird die alte Slipanlage – ein Muster alter Ingenieurskunst – in Gang gesetzt und das Boot an der Schleuse vorbei transportiert. Aber auch das klappt hervorragend.
Eine halbe Stunde vor der Abfahrt nach Hamburg schaffe ich es noch, einen Blick in das 3-Prinzessinnen- Palais zu werfen, allerdings nur einen sehr flüchtigen, denn die Aufsicht steht schon ungeduldig an der Tür und will schließen. Macht nichts, es gibt bestimmt eine andere Gelegenheit.
Inzwischen sind die Blasen an den Händen kaum noch zu spüren, zu spüren ist aber ganz deutlich die Freude über diese schöne Tour, die vielen neuen Erfahrungen und die Hilfsbereitschaft aller. Dank an Peter Lougear, der die Fahrt so umsichtig vorbereitet hat, und an alle 19 Mitruderer, vor allem aber an die Mannschaft der Daressalam.
Bericht: Renate Schatzmann
Einleitung und Bilder: Lars Christiansen