Ein Fundstück aus der Literatur

Gefunden von Peter Sandmeyer

Der österreichische Ethnologe und Fotograf Hugo Bernatzik unternahm 1930/31 eine Forschungsreise zu den Bijagós-Inseln vor Guinea-Bissau. Auf der Hauptinsel Bubaque forderte er den König Nákbè zu einer Wettfahrt zwischen dessen Prunkruderboot und der Barkasse einer deutschen Palmölfabrik heraus. Hier der Regattabericht.

Der große Tag der Wettfahrt kam heran. Schon in aller Frühe erschien Nákbè mit seinen Leuten am Strand. Seine lauten, strengen Befehle weckten uns aus dem Schlaf. Wir sahen, wie die Burschen das große Königsboot mit Feuereifer fahrbereit machten. In kleinen Holzmörsern bereiteten sie neue Farben und frischten die schon verblassten roten und weißen Muster auf. Vor allem wurde der mächtige Stierkopf auf Glanz hergerichtet. Dann schleppten die Männer die schweren, verzierten Ruder heran und banden sie mit stark zusammengedrehten Palmblattstricken fest. Büschel aus Gras und Blättern wurden überall als Festschmuck angebracht. Der König überwachte die Arbeiten selbst und stattete den geschnitzten Stierkopf mit einem neuen Wasserzauber aus. Dann bestiegen zwanzig stämmige Kerle das lange Boot, und mit einigen kräftigen Ruderschlägen unternahmen sie eine kleine Probefahrt. Alles ging in Ordnung, ein paar Riemen wurden ausgetauscht, fester angebunden und einige schwächere Burschen durch stärkere ersetzt.

Einbaum

Das Boot des Königs von Bubaque im Rennen: Dem riesigen Einbaum wurde zur Steigerung der Seetüchtigkeit ein Wellenbrecher aufgesetzt.

Inzwischen erschien auch die Motorbarkasse. Nachdem der König nochmals in einer kurzen, feurigen Ansprache die Ruderer aufgefordert hatte, ihr Bestes zu leisten und die Ehre des Königsbootes zu verteidigen, bestieg er mit uns das europäische Fahrzeug. Ich hatte Befehl gegeben, keinesfalls rascher zu fahren als das Bijagó-Boot. Dann ging es los.

Es war ein herrlicher Anblick, als das bunte lange Boot mit voller, festlich geschmückter Bemannung an uns vorbeiflitzte. Am Heck saß erhöht der Steuermann, vor diesem, auf dem Boden des Schiffes, ein Mann mit einer Felltrommel, auf der er den Takt für die zwanzig Riemenführer schlug. Vorn aber, an der Spitze, stand hochaufgerichtet ein Bursche, den Rinderkopf an zwei Stricken haltend und mit einer langen Gerte auf ihn losschlagend. Er peitschte ihn und riss an den Zügeln, anfeuernde Rufe ausstoßend, und seine leidenschaftlichen Gebärden erweckten den Eindruck, als ob er allein es sei, der das Boot in Bewegung setze.

Die Ruderer stimmten einen alten Kriegsgesang an, legten sich kraftvoll in die Riemen, indem sie sich bei jedem Ruderschlag von ihren Sitzen erhoben, und ließen alle ihre Muskeln spielen. Überraschend war es für mich, zu sehen, dass der Steuermann den riesigen Einbaum rascher wenden konnte als wir das Motorboot.

Wellenbrecher

Der Wellenbrecher trägt vorne einen mächtigen bemalten Stierkopf, der mit “Wasserzauber” versehen ist.

Nach und nach ließ ich die Geschwindigkeit der Barkasse steigern. Mit glänzenden Augen stand Nákbè neben uns und feuerte mit heftigen Gebärden und lauten Rufen seine Kämpfer an. So viel Leidenschaft und Sportbegeisterung hätten wir dem alten König nimmermehr zugetraut! Er schilderte uns begeistert, wie einstmals oft vierzig solcher Boote, begleitet von wildem Kampfgeschrei, daherbrausten und mit der Schnelligkeit des Windes das Meer zwischen den Inseln durchkreuzten. Sie waren ja berüchtigte Seeräuber gewesen, die Vorfahren des Königs Nákbè, und das wilde Blut dieser Krieger schäumte wohl auch heute noch in den Adern der Nachkommen.

Mit rauschender Bugwelle ging es wohl eine halbe Stunde lang in glühender Sonnenhitze dahin, ohne dass die Kraft der in Schweiß gebadeten Eingeborenen erlahmt wäre. Dann gab ich Befehl, langsamer zu fahren, und unter ohrenbetäubendem Jubel gelang es den Bidjogo, uns zu überholen.

Plötzlich, wie auf Kommando, hörten alle auf zu rudern, standen mit gespreizten Beinen auf den Sitzbrettern und neigten das Boot so stark zur Seite, dass kleine Wellen gurgelnd über seinen Rand spülten. Dabei verstärkten sich Trommelschlag und Gesang. Jetzt ertönte ein heiserer Schrei des Steuermanns, im Nu lagen alle Mann im Boot unsichtbar versteckt und mäuschenstill. So täuschte man offenbar einst den Feind, damit er glauben sollte, die Bemannung des Bootes sei gefallen.

Das Fundstück erschien in der Reihe Swing mit literarischen Fundstücken zum Thema Rudern in der Galeere.

Das Bijagós-Archipel (oder Bissagosinseln) in Westafrika spielte im vorkolonialen Afrika eine bedeutende Rolle im westafrikanischen Handel. Mit der Kolonialisierung durch die Europäer verlor die historische Kultur an Bedeutung. Die Insel Bubaque, auf der sich deutsche Händler mit einer Palmölfabrik niederließen, gehörte mit dem Archipel zum portugiesischen Kolonialreich, seit 1974 mit der Unabhängigkeit zum Staat Guinea-Bissau. Guinea-Bissau gilt heute als eines der ärmsten Länder weltweit.