Lago Azul – der blaue See. Was sich anhört wie ein fantastischer Filmschauplatz, ist in Wirklichkeit ein See mitten in Portugal. Er ist Teil des Flusses Zêzere, der zunächst in den Tejo fließt, der schließlich bei Lissabon in den Atlantik mündet. Am 7. Februar brachen Nike und ich, Lisa, mit der Frauen-A-Nationalmannschaft ins Trainingslager nach Lago Azul auf. Von Hamburg ging es am frühen Morgen mit der Bahn zum Berliner Flughafen. Dort stiegen wir in ein Flugzeug nach Lissabon und wurden von einem Reisebus nach Lago gebracht. Es war schon dunkel, als wir die letzten Serpentinen bis zu unserem Hotel im Tal überwunden hatten. So konnten wir uns erst am nächsten Morgen ein Bild von unserer Trainingsstätte für die nächsten zweieinhalb Wochen machen – und sahen strahlende Sonne, Palmen und einen traumhaften Ausblick.
Aber genug der schönen Landschaft. Nach dem Frühstück und Riggern der Boote ging es auf das Wasser, um unser Ruderrevier zu erkunden. Nike und ich wurden direkt in zwei Vierer ohne gesetzt, in denen die U23 mit den A-Sportlern von Beginn an gemischt wurden. Obwohl wir die Jüngsten der Gruppe waren – Nikes Altersunterschied zu den ältesten Sportlerinnen betrug bis zu zehn Jahre – wurden wir trotz vorangegangener Bedenken in alle Bootsklassen und Kombinationen eingebunden.
Unser Trainingsplan gestaltete sich mehr oder weniger in einem Drei-Tage-Rhythmus. Das heißt, am ersten Tag des Zyklus ruderten wir dreimal, wobei die erste Einheit bei 12 bis 14 Kilometern begann und die dritte Einheit am Nachmittag mit 18 bis 22 Kilometern abschloss. Am zweiten Tag machten wir Krafttraining oder ausführliches stabilisierendes Training und fuhren in einer der beiden Rudereinheiten des Tages obere Belastungen im extensiven Ausdauertraining. Es startete bei 5×2 Kilometern und steigerte sich bis zu 2×6 Kilometern am Ende des Trainingslagers.
Da für uns beide „Exa-Strecken“ eine neue Belastungsform waren, mussten wir erst einmal lernen, uns dabei richtig auszusteuern. Wenn bis zu vier Boote nebeneinander starten und die Trainer Zeiten stoppen, hält man lieber einmal mehr gegen als auf den Puls zu achten. Am dritten Tag sind wir Strecken gefahren und haben je nach Ermüdungszustand stabilisierendes Training oder Gymnastik gemacht.
Nicht nur die Bootsklassen und Besetzungen haben sich in fast jeder Rudereinheit geändert, auch die Strecken waren vergleichsweise abwechslungsreich. Wir sind von 24×250 Meter zu 12×500 Meter über 4×1000 Meter zu 3×2000 Meter in sehr unterschiedliche Belastungsformen hineingeworfen worden. Bei den (einzigen schlagzahlbegrenzten) 2000-Meter-Strecken konnten wir im Achter auch gegen die Skull-Doppelvierer fahren, was den Anreiz, Prozente-Sieger zu werden, noch weiter steigerte.
Gerade diese Abwechslung und die verschiedenen Bootspartner und -klassen haben das Training sehr kurzweilig gemacht. Man musste immer wieder auf neue Zusammensetzungen reagieren, um die Boote zum Laufen zu bringen. Gleichzeitig sollte sich die Mannschaft übergeordnet, trotz der Wechsel, weiterentwickeln. Zum Ende des Trainingslagers wurde jedoch die Entscheidung gefällt, dass Nike und ich für die nächste Saison erst einmal fest zusammen im Zweier ohne sitzen. So konnten wir in Lago schon die eine oder andere Einheit für unseren Zweier mitnehmen.
Alternativ konnten wir auch mit dem Rennrad fahren und wandern, wenn körperliche Erschöpfung oder Probleme keine weitere Rudereinheit zuließen. Auf das Ergo oder Spinning mussten wir wetterbedingt zum Glück nur zweimal ausweichen. Wer in der Hälfte der Zeit einen Tapetenwechsel für den Kopf brauchte, konnte mit auf einen Tagesausflug nach Lissabon kommen. Ich habe diese Möglichkeit genutzt und die Stadt voller Freude erkundet. Da wurde mir wieder bewusst, wie schön es doch war, durch das Rudern etwas Neues kennenzulernen.
Generell hat mir die Stimmung im Team sehr gefallen. Es wurden nicht nur neue Freundschaften geknüpft, sondern die Arbeit im Boot war unter den Sportlerinnen ermutigend zielführend gestaltet. Wir konnten viel von den „Großen“ lernen, die uns einerseits an manchen Stellen noch einmal in anderen Worten erklärt haben, was der Trainer genau meinte. Andererseits kamen auch immer wieder lobende Rufe aus der Mannschaft, wenn irgendjemand etwas Neues umsetzen konnte. Auch das Ritual der „Shout-Outs“ der Woche trug dazu bei. Hierbei gaben die Sportlerinnen jede Woche einen kleinen „Pokal“ an diejenige Person weiter, die irgendetwas besonders gut gemacht hat. Dabei hatte jede in der Runde noch einmal die Möglichkeit, auch andere Personen zu benennen, die positiv aufgefallen sind. Dieses Ritual fand ich sehr schön. So wurde mir zum Beispiel in der Mitte des Trainingslagers der Hello Kitty-Pokal von Judith überreicht, weil sie bemerkt hatte, wie gut ich mich nach der kurzen Zeit vom Skullen in das Riemen hineinfinden konnte. Solche und ähnliche Zusprüche bieten Wertschätzung und Anerkennung unter den Teamkameradinnen.
Generell waren die Trainingsbedingungen sehr gut. Es gab kostenlose Nahrungsergänzungsmittel, es waren dauerhaft zwei Physiotherapeuten anwesend, und alle zwei Tage wurden unsere Laborwerte kontrolliert, wobei insbesondere auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Entzündungswerte im Blut geachtet wurde.
Ich freue mich sehr darüber, dass ich an diesem außerordentlichen Trainingslager teilnehmen konnte. Für Nike und mich geht es nach ein paar Tagen Verschnaufpause zu Hause direkt in das nächste Trainingslager nach Erba in Norditalien. Da haben wir Zeit, an unserem Zweier zu arbeiten. Alsbald steht dann der Saisonauftakt in Leipzig vor der Tür, auf den wir uns schon freuen!
Fotos: Nike Utesch