Im Gespräch mit Ole Rückbrodt und Paul Heinrich über den Club-Leistungssport
Der Leistungssport ist eine wichtige Säule unseres Vereins. Dennoch ist dieser für viele Club-Mitglieder und auch für die Redaktion der „Galeere“ eine Art Black Box: Man freut sich mit den erfolgreichen Sportlern, bemerkt aber nur wenig von den Vorbereitungen und der Organisation dahinter. Ole Rückbrodt und Paul Heinrich sind die Hauptverantwortlichen im Club für den Leistungssport. Im Gespräch mit der „Galeere“ berichten sie über ihre langfristige Strategie und geben Einblick in ihre Arbeit und Konzepte.
Ole Rückbrodt, 35 Jahre alt, blickt als „Club-Gewächs“ auf eine lange Laufbahn im Leistungssport mit deutschen und internationalen Erfolgen zurück. Heute arbeitet er als Studienrat an der Eliteschule des Sports in Hamburg. Im Club verantwortet er mit dem Vorstandsmitglied für Sport, Sebastian Diemann, federführend die Ausrichtung des Leistungssports.
In dieser Position sieht Ole Rückbrodt seine Kernaufgabe darin, die im Club bestehenden Angebote für die Nachwuchsgewinnung auszubauen und am Leistungssport interessierte Kinder an den Club zu binden. Die Ressourcen eines Vereins sind naturgemäß limitiert. Im Vordergrund steht für den Club daher die Zusammenarbeit mit den Schulen, vor allem dem Wilhelm-Gymnasium. „In der Jugendgruppe haben wir derzeit 60 Kinder. Das ist ein riesiger Nachwuchspool mit Leistungssportperspektive. Da dies unsere Ressourcen komplett bindet, sind wir bei der Sichtung externer Talente momentan nicht aktiv.“
Für die aus der Kindergruppe und dem Schulsport kommenden Jungen und mittlerweile auch Mädchen im Club beginnt der Übergang in den Leistungssport mit dem Ende des letzten Kinderjahres. Die B-Junioren (15- bis 16-Jährige) und A-Junioren (17- bis 18-Jährige) werden in der Club-Trainingsgruppe von einem hauptberuflichen Trainer und einem nebenberuflichen Cotrainer gecoacht.
Nachdem Sven-Eric Berger diese Aufgabe übergangsweise übernommen hatte, verpflichtete der Vorstand wieder einen hauptamtlichen Trainer. Auch durch die Vermittlung von Karsten Timm konnte der Club Paul Heinrich im September 2018 für diese Schlüsselposition gewinnen. Ole Rückbrodt dazu: „Es war schnell klar, dass der Club mit Paul arbeiten will.“
Paul Heinrich, 28 Jahre alt, hat als Leistungssportler selbst eine erfolgreiche nationale und internationale Ruderkarriere absolviert. Der gebürtige Rostocker, der mit seiner im April um Sohn Oscar gewachsenen Familie inzwischen nach Hamburg umgezogen ist, sieht sein erstes Jahr als Übergangsjahr. „Es ist eher eine Bestandsaufnahme, als dass es durch den Trainer bereits geprägt wird. Hamburg ist zudem ein ganz anderes sportpolitisches Umfeld als Rostock. Wir befinden uns hier in der privilegierten Situation, nicht auf Druck von oben Kadersportler produzieren zu müssen. Anders als in anderen Bundesländern findet hier die hauptsächliche Trainingsarbeit stärker in den Vereinen und weniger in den Leistungszentren statt. Entsprechend geringer ist der externe Druck, vorgegebene Normwerte kurzfristig zu erreichen.“
Als Betreuer der Trainingsgruppe sieht es Paul Heinrich als seine Aufgabe, mentale und physische Stärke der Sportler zu fördern und so die individuelle Entwicklung in Richtung Leistungssport zu fördern. „Der Leistungssportgedanke ist im Club nicht an die Erreichung bestimmter Zeitwerte geknüpft, sondern an das gesamte Umfeld.“ Gemeinsam mit den ehrenamtlichen Trainern begleitet er die Sportler durch das äußerst zeitaufwendige Trainingsprogramm, das von Dienstag bis Freitag und am Wochenende Trainingszeiten vorsieht.
Er ergänzt: „Von zentraler Bedeutung für den Club ist, dass die Jugendlichen in der Trainingsgruppe in eine sozial intakte Gemeinschaft mit vielfältigen Interessen geraten. Zwar wird der Leistungssportgedanke gefördert, aber Jugendliche werden auch einmal gebremst, nicht zu viel gleichzeitig zu machen.“ So sieht Ole Rückbrodt die Trainingsgruppe auch als sich selbst regulierend. „Leute, bei denen die Motivation nicht ausreichend vorhanden ist, brechen von allein weg. Hinzu kommt, dass Rudern kein Profisport ist und den Athleten keine finanziellen Anreize bietet.“
Von den B-Junioren über die A-Junioren zu den Senioren steigt der Leistungsdruck allmählich, und es kommen die Normwerte des DRV hinzu, um sich für bestimmte Boote und Wettbewerbe zu qualifizieren. Auch die Regatten werden anspruchsvoller. „Wenn man das erste Mal auf einer WM ist, dann fühlt man sich zwischen den Athleten wieder wie ein Anfänger“, erinnert sich Paul Heinrich an eigene Erfahrungen. „Einen Sportler mental auf den Wettbewerb vorzubereiten ist keine einfache aber mit die spannendsre Aufgabe. Scheitern ist Teil des Geschäfts als Trainer.“
Mit der Entwicklung vom Junior zum Senior wird die Betreuung der Sportler um weitere Landes- und Bundestrainer erweitert. Für die Sportler bedeutet das auch die Ansiedlung der Sportler durch den Deutschen Ruderverband an zentralen Standorten und damit meist auch den Verlust des direkten Kontakts zum Stammverein.
Ole Rückbrodt sieht darin Vor- und Nachteile. „Wir erleben in Deutschland einen Trend hin zur Zentralisierung der Leistungssportler. Anders als etwa in Großbritannien, wo dies sehr erfolgreich funktioniert, ist in Deutschland die Förderung der Sportler aber – gemessen an den Erfordernissen –deutlich unterfinanziert. Der Verbleib im trainingsaufwendigen Rudersport ist häufig nur dann möglich, wenn die Sportler bei Bundeswehr oder Bundespolizei unterkommen, die den Leistungssport stark fördern. Diese Monokultur steht aber im Gegensatz zum Verständnis der Vereine und Verbände vom Rudern als akademischen Sport.“
Aus dem Club ist mit Marc Kammann derzeit ein Athlet in Dortmund angesiedelt, dem Standort für die Riemer. Bei den in Hamburg und Ratzeburg zentralisierten Skullern versucht sich in dieser Saison Ruben Steinhardt für die wichtigen Boote und die internationalen Regatten zu qualifizieren. Und mit Stephan Riemekasten stößt mit der Zentralisierung in Hamburg ein Skuller aus Berlin zum Club. Ole Rückbrodt: „Wir versuchen nicht, Nachwuchs aus anderen Vereinen zu casten. Entscheidend für uns ist bei solchen Entscheidungen, dass Leute auch vom Typ her zum Club passen, wie Stephan.“ In der U23-Gruppe von Jan Suhrhoff trainieren derzeit Eric Magnus Paul und Malte Rietdorf in Hamburg.
Ole Rückbrodt ist es wichtig, die Sportler langfristig an den Club zu binden. Trainer und Sportler sollen in den Club ausstrahlen und den Kontakt zum Leistungs- und Spitzensport für alle Mitglieder erfahrbar machen. Dies ist auch nötig, um aus dem Spitzensport nach ihrer Karriere ausscheidende Athleten für die Vereine nicht völlig zu verlieren. „Wenn man mit dem Leistungssport aufhört, dann benötigt man eine funktionierende, bereits bestehende Gruppe, die einen integriert.“ Die Ruder-Bundesliga (RBL), in der einige Jahre lang auch ein Club-Achter mitfuhr, hat sich seiner Ansicht nach als Alternativangebot für den Leistungssport überholt. „Das Problem der RBL war, dass immer die gleichen Boote gewonnen haben.“ Für die Vereine ist das Format Ruder-Bundesliga darüber hinaus finanziell und organisatorisch aufwendig, die Sponsoring-Ergebnisse dagegen ernüchternd. Der Deutsche Ruderverband wäre hier in der Verantwortung attraktive regionale Angebote zu schaffen. „Es kommen Leute aus dem Leistungssport, die schaffen aber wegen der beruflichen und familiären Anforderungen häufig keinen gemeinsamen Trainingsplan. Das ist dann nicht viel anders als im Breitensport bei den Anfängerkursen. Dort sind auch viele Teilnehmer an dem Sport sehr interessiert, schaffen es aber nach dem Kurs häufig nicht, in einer Rudergruppe zu landen, und springen dann ganz ab.“
Auch Paul Heinrich macht sich über den Breitensport Gedanken. Wenngleich durch den neuen Job und den eigenen Nachwuchs in der Übergangssaison 2019 noch nicht viel möglich war und die Priorität in der Saison auf dem Leistungssport liegt, wird auch der Breitensport im Club absehbar mehr Aufmerksamkeit bekommen. „Hier geht es vor allem darum, die Fort- und Weiterbildung der im Kinder- und Breitensport aktiven Trainerinnen und Trainer zu gewährleisten und neue Entwicklungen für alle sportlich aktiven Club-Mitglieder erfahrbar zu machen. Idealerweise wünsche ich mir, dass sich dadurch ein Club-Stil etabliert. Weniger, um sich von anderen Vereinen zu unterscheiden, sondern als qualitatives Element, das sportliche Gemeinsamkeit innerhalb des Clubs schafft.“
Das Gespräch führten Lars Christiansen und Karl Spurzem.
Dieser Bericht erschien als „Scheitern ist Teil des Geschäfts“ in der Galeere 2/2019
Titelbild: Club-Sportler Kjell van de Bergh und Johann Eikelberg auf dem Ergo mit Cheftrainer Paul Heinrich