Vorbereiten, mitmachen, Erfahrungen sammeln: Kontinuierliches Ruder- und Krafttraining mit unseren Clubtrainern im Winter fällt leichter, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Eines könnte die Teilnahme im Frühjahr 2024 an einem Marathon sein, der für Mastersruderinnen und- ruderer sowie Breitensportlerinnen und -sportler gleichermaßen interessant scheint. An zwei herausfordernden Langstrecken-Regatten hat 2023 Club-Trainer Torben Wiechens mit weiteren Club-Mitgliedern teilgenommen. Seine Ruder-Impressionen von der Europäischen Rheinregatta (EUREGA) – von der Loreley und Neuwied nach Bonn – und dem holländischen „Elfsteden Roeimarathon“ (Elf-Städte-Rudermarathon) hat Bettina Schaefer protokolliert. Im Anschluss an den Text findet Ihr Hinweise für das Marathon-Training.
Und jetzt Torbens Erfahrungen:
Europäische Rheinregatta
„Jedes Jahr seit 1992 veranstaltet der Bonner Ruder-Verein von 1882 e.V. den internationalen Rudermarathon, die EUREGA. Die Strecke, gerudert wird in Gig-Vierern, ist 100 Kilometer lang. 100 Kilometer rudern: Das hatte ich noch nicht gemacht. Und die mit der Strömung – das war dann nicht ganz so lang, wie es auf den ersten Blick scheint. Dazu aber später mehr. Erfahrungen mit Langstrecke hatte ich beim Fahrradfahren gesammelt. Ich bin dreimal dreihundert Kilometer am Stück gefahren. Man meldet sich, die Tour ist ausgeschildert, und man muss sich an die Verkehrsregeln halten. Alle 50 bis 60 Kilometer gibt es einen Halt, und man kann Verpflegung und etwas zu trinken bekommen. Aber 100 Kilometer rudern, das hatte ich noch nicht gemacht. Das Längste, was ich bis zum Rhein-Marathon gerudert hatte, war im Kinderbereich eine Langstrecke oder besser gesagt, eine Wanderfahrt von Mölln nach Hamburg zu Ostern.
Mit vom Club auf dem Rhein dabei war Pia Groß, die auch im Bundesliga-Achter der Frauen rudert. Zwei oder drei Tage vorher hatten wir uns über WhatsApp verabredet und als Mixed-Boot besprochen. Ich hatte ein paar Fragen, u.a.: Wo übernachten wir? Zum Thema Boot: Wir hatten das Glück, dass wir mit Leon Lauer zusammen gerudert sind, der aus Köln kam. Vom Kölner Club für Wassersport (KCfW) haben wir auch ein Boot bekommen, das mit Lenzklappen ausgestattet war. Und die sollten uns auf der Tour gut weiterhelfen.
Da ich recht spontan eingesprungen bin, hatte Hendrick Nagel aus Hemmoor mich gegoogelt und wollte wissen, wer ich überhaupt so bin. Und dann so: ‚Ok. Der ist schon mal Deutsche Meisterschaften gefahren. Der wird das schon hinbekommen.‘
Am Freitag, 5. Mai, um 13 Uhr, sind Pia und ich hier in Hamburg mit einem Auto los und bis Bonn gefahren. Von dort ging es die restlichen Kilometer mit dem Zug nach Sankt Goar. Samstag war gegen 8 Uhr der Start mit 15 Vierern auf die 100 Kilometer von Sankt Goar mit der Strömung nach Bonn. Unser Mixed Boot waren: Yannika Moye und Leon Lauer aus Köln, Hendrik Nagel aus Hemmoor und Pia Groß und ich vom Club. Der Start war ganz schön: Wir haben am Anfang einige Boote überholt und waren fast einmal ganz vorne. Aber bevor wir das letzte Boot, das vor uns gestartet war, überholen konnten, überholte uns das schnellste Boot.
Unser Rennplan sah so aus, dass zu Beginn einer der Kölner steuert, weil sie den Rhein etwas besser kennen. Yannika hatte schon Langstreckenregatten gerudert, sie ist erst einmal auf Schlag gefahren. Dann haben wir abgemacht, dass wir eine Schlagzahl von 26 bis 28 fahren und alle halbe Stunde den Steuermann/die Steuerfrau wechseln. Mir war das recht: Ich war noch nie auf dem Rhein gerudert und wollte lernen, wie man auf dem Fluss mit seiner Strömung und dem Schiffsverkehr steuert.
Zu Beginn war mein Rudern auf dem Rhein ein wenig holprig. Auf dem Weg von Sankt Goar zum Start wechselten wir die Rheinseite. Dabei steuerte Leon unser Boot eng hinter einem Schiff. Ich meine, wir kennen das von der Alster: Wenn man dicht hinter einem Alsterdampfer herfährt, dann drückt der das Boot so ein wenig herum. Auf dem Rhein war der Druck um einiges stärker. Da hatte ich erstmal eine Hui-Reaktion. Aber sonst? Kein Thema. Theoretisch hat man bei einer stärkeren Strömung einen härteren Druck auf dem Blatt. Aber das hat man da nicht so gemerkt. Wir sind mit einer flüssigen Frequenz durchgefahren. Ging gut. Ich habe mich schnell eingefühlt in Rhein-Welle und -Wasser. Und vor allem Gig-Boot: Was soll da passieren?
Nach sechs oder sieben Kilometern haben wir eine Welle abbekommen, die rollte einmal komplett übers Boot und über uns fünf rüber. Das war schon heftig. Die Lenzklappen leisteten wunderbare Arbeit, und das Boot war innerhalb kurzer Zeit wieder ohne Wasser. Obwohl wir nass geworden waren, haben wir nicht gefroren: Das Wetter war gut, 15 bis 20 Grad. Nur auf dem Steuermannsplatz hat man ein wenig gefröstelt. Wir haben uns dann eine Sicherheitsdecke übergezogen und über die Beine gelegt. Und dann war auch gut. Stopps an Land haben wir nicht gehabt. Wir haben in Ufernähe gehalten und sind beim Wechsel übereinander gekrabbelt. Während der Ausgewechselte sein Stemmbrett einstellte, sind die anderen drei schon wieder losgerudert.
Am Ziel taten mir die Hände weh, ich hatte Blasen überall. Zum Glück waren sie nicht kaputt. Sie waren so nass, dass die Haut genug Elastizität hatte und nicht eingerissen war. Erschöpft habe ich mich gefühlt, so, als wenn man 100 Kilometer gefahren ist. Ich habe gemerkt, dass ich was getan hatte. Das Mixed-Rennen haben wir gewonnen. Insgesamt sind wir von 15 Booten Dritter geworden in 5:16:46 Stunden für 100 Kilometer, das war ein 1:36er-Schnitt.“
Elfsteden Roeimarathon
Der zweite Marathon, den Torben ruderte, fand am 19. Und 20. Mai im holländischen Friesland statt. Ursprünglich wurde die Strecke durch elf Städte nicht gerudert, sondern auf Schlittschuhen gefahren. Für die Rudertour änderte sich die Strecke, da nicht alle Kanäle die notwendige Breite haben. Gerudert wird im Zweier-Gig-Boot mit Steuerfrau/-mann. Und: Die „Rudolf Helm“, das Zweier-Boot, das Dschabrail im Sommer wieder flott gemacht hat, ist diese Strecke in Holland auch schon gefahren. Doch ich greife vor – hier kommt Torbens Bericht:
„Zwei Wochen später kam der nächste Marathon. Das Rennen über 210 Kilometer innerhalb einer Zeit von 24 Stunden findet klassisch zu Himmelfahrt statt. Freitagabend ist der Start, Sonnabend ist Zielankunft. Unsere Mannschaft bestand aus neun Leuten, also dreimal eine Dreier-Besetzung. Erlaubt ist eine weitere Crew – also 12 Leute, die sich jeweils in Etappen auf die Strecke machen. Unser Zweier hieß „Schlingel“, und das Team mit dem Namen „Labskaus“ bestand aus neun Leuten. Vom Club waren wir Sven Tuchel, Georg Berssenbrügge (Schorschi und Club-Vorstand Verwaltung) und ich. Dann ruderten Leute von der Hansa, dem WSAP und von der Bille mit. Interessant war, dass man das Boot extra ausstatten musste: Eine Lenzpumpe und eine Pütz waren Pflicht, für den Fall, dass eines nicht funktioniert. Dann war eine Beleuchtung innerhalb des Bootes notwendig, mit der man die Ruderplätze und die Kanäle beleuchten konnte. Dazu brauchte man Scheinwerfer nach vorne, ein normales Front- und ein normales Hecklicht. Die Beleuchtung musste so angebracht werden, dass der Steuermann sie jeweils an- und ausschalten konnte. Das hieß: Wir mussten ein bisschen Technik im Boot mit einer kleinen Autobatterie verkabeln. Bis das alles in der „Schlingel“ funktionierte, hat es ein bisschen gedauert.
Die Anzahl der teilnehmenden Ruderboote ist auf 100 begrenzt. Die Strecke von 210 Kilometern muss das Team innerhalb eines Zeitlimits von 24 Stunden schaffen. Wer länger braucht, bekommt keine Medaille. Um 20 Uhr startete das erste von 94 Booten, unser Rennen begann um 20:25:32 Uhr als vorletztes Boot bei immer noch gutem Licht und schon einsetzender Dämmerung. Für den Rennablauf hatten wir ausgedruckte Karten mit eingezeichneten Etappenpunkten dabei. So konnten wir sehen, wo die Wechselpunkte nach 7 und 12 Kilometern kamen. Dazu hatten wir immer ein Handy an. Das war ein Muss, damit Du wusstest, wo Du langfährst.
Wo man ans Ufer konnte, wurde die Mannschaft ausgetauscht. Ich bin zum Beispiel eine Stunde gerudert, dann hatte ich zwei Stunden Pause, ich habe eine Stunde gesteuert, dann hatte ich drei Stunden Pause. Also wir hatten fliegende Wechsel wie bei einem Staffellauf. Da jedes Team sich seine Stopps selbst aussuchen konnte, war es so, dass manche Teams sagten: Wir rudern 20 Kilometer am Stück und schaffen Strecke. Andere wie wir haben viele Wechsel gemacht, die Zeit kosteten und währenddessen man von drei, vier Mannschaften überholt wurde.
Das hieß: Mit dem Start waren immer sieben, acht Teams um einen herum. Die hat man wiedererkannt und gegen sie gekämpft nach dem Motto: Euch haben wir doch schon mal vor einer Stunde überholt! Das hat viel Spaß gemacht. Und: Sven, Sandra (RV Bille) und ich sind eine Schlagzahl von 25, 26 gefahren. Doch, wir sind zügig vorangekommen. Für einen Zweier-mit waren das keine langsamen Zeiten.
Wirklich mühsam war eine Strecke am Sonnabend so gegen 14, 15 Uhr. Der Abschnitt war neun Kilometer lang, und der Wind kam voll von vorn aus Nordost. Das war Betonrudern, und ein Gig-Zweier-mit ist das Langsamste, was man sich vorstellen kann. Laut GPS sind wir dennoch einen Schnitt von 2:45 gefahren. Das ist eine Zeit, die ich auch im Renn-Einer bei solchen Bedingungen nicht leicht schaffen würde (im normalen Trainingsschlag). Beim Wechsel bin ich aus dem Boot herausgeklettert und habe mich erstmal für drei Minuten hingelegt.
Am Ende der Regatta sagte der Veranstalter, dass es die härteste „Elf Steden“ überhaupt gewesen sei. In der Regel würde das schnellste Team zwischen 16 und 17 Stunden für den Kurs benötigen. Dieses Jahr seien es über 18 Stunden gewesen. Wir haben 23:12:07 Stunden gebraucht und erreichten Platz 51 von 94. Danach waren wir alle ganz schön tot. Ich war sehr froh, es geschafft zu haben. Und: Es hat sehr viel Spaß gemacht.“
Ab Februar 2024 kann man sich online anmelden. Die Sicherheitseinweisungen finden nur online statt. Weitere Informationen: www.eurega.org und www.elfstedenroeimarathon.nl
Titelbild oben: Nach 23:12:07 Stunden war unser Boot im Ziel: Platz 51 von 94.
Vorbereitung für einen Marathon
Empfehlungen von Torben:
Rheinregatta
Vor dem Rheinmarathon würde ich viermal die Woche Training empfehlen, das in Richtung extensive Ausdauer geht. D.h.: Lange rudern, also Ohlsdorf und zurück, und da auch mal 10 Minuten etwas intensiver rudern mit einer Schlagzahl von zum Beispiel 24. Von der Kraft her auch nicht 100 Prozent, sondern 80. Bedeutet: Ja, die 10 Minuten waren anstrengend, aber ich könnte nochmal 10 Minuten. So sollte man das angehen. Und das viermal in der Woche. Längere Strecken mit geringerer Intensität und ein bis zweimal eine Belastung einbauen.
Ergo ist auch gut. Das ist eine unglaublich wahre Maschine.
Elfsteden Roeimarathon
Das Erste ist: Teams bilden. Die Strecke darf man mit vier Teams à drei Personen rudern. Eine große Erleichterung ist, wenn man jemand hat, der nur den Landdienst macht und von Etappe zu Etappe fährt.
Zum Training: Es reicht, wenn man zweimal die Woche hier bei unseren Gruppen mitrudert. Die Kiautschau-Runde, das reicht eigentlich. Wenn man da mal Abschnitte etwas intensiver rudert, bekommt man den holländischen Marathon hin. Für Breitensportler ist die Regatta ideal: Sieben Kilometer zu rudern ist zu schaffen. Und: Alle Teilnehmer, die die Strecke innerhalb der 24 Stunden rudern, bekommen eine Medaille. Und das Boot bekommt eine Plakette. Die „Rudolf Helm“, also der Zweier-mit, hat auch eine.
Ein weiteres Ziel des Winter-Trainings könnte die Teilnahme am Ergo-Marathon am 02. März 2024 in Hamburg sein. Das Ziel ist, 42,195 Kilometer auf der Rudermaschine hinter sich zu lassen. Anmeldungen und weitere Informationen unter ruderei.de.