Eine Expedition nach Henley beginnt für jeden bereits zu Hause mit einer Reise durch den eigenen Kleiderschrank. Wenn man vorhat, sich nahtlos in das Bild der Regatta-Gesellschaft einzufügen, bleiben Jeans und Turnschuhe zu Hause oder dienen bestenfalls als Reisekleidung. Henley Royal Regatta – das ist auf der Landseite wie Pferderennen in Ascot oder Tennis in Wimbledon. Sommerlich elegant und im besten Fall „behütet“. Mehr britisch geht nicht.

Die Zahl der Regattateilnehmer und -besucher übersteigt die Einwohnerzahl von Henley um ein Vielfaches, da sich an einzelnen Tagen bis zu 100.000 Menschen an der Regattastrecke einfinden. Proportional dazu steigen zur Regattazeit die Übernachtungspreise für die relativ wenigen Unterkünfte. Man weicht also notgedrungen auf Nachbarorte aus und fährt täglich z. B. mit der Regionalbahn zur Regatta.

Auf dem Weg zur Regatta (Foto: T. Marx)

Regattaleben (Foto: T. Marx)

 

Henley selbst ist ein hübsches, kleines, altes, englisches Städtchen, das sich zur Regattazeit im absoluten Ausnahmezustand befindet. Die Fachwerkhäuser und urigen Kneipen sorgen dafür, dass man sich in einem englischen Krimi wähnt. Miss Marple und Inspektor Barnaby lassen grüßen, wobei letzterer tatsächlich schon ein paar Mal im Ort gedreht wurde. Die Hauptstraße ziert einer der goldenen Briefkästen, mit denen die Royal Mail die Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele 2012 in ihren Heimatorten geehrt hat. Zur Henley Royal Regatta zusätzlich garniert mit einer Strickpuppe im Strick-Ruderboot.

Golden postbox (Foto: Alex Pflüger)

Christina Schmidt und Alexander Pflüger (Foto: T. Marx)

 

Aber zur Sache: Die Henley Royal Regatta findet seit 1839 statt. Ausgesetzt wurde sie nur während der beiden Weltkriege und 2020 wegen Covid-19. 1839 dauerte die Regatta einen Tag. Mittlerweile erstreckt sie sich über sechs Tage (Dienstag bis Sonntag der ersten Juliwoche) – ein Indikator für die Beliebtheit der Regatta bei Ruderern aus der ganzen Welt. Sämtliche Rennen auf der 2.112 Meter langen Strecke finden im K.O.-Verfahren statt, da die Ruderstrecke recht schmal ist und jeweils nur zwei Boote gegeneinander antreten können.  Der Gewinner kommt eine Runde weiter und der zweite fliegt raus.

Die einzelnen Kategorien haben so prächtige Namen wie Grand Challenge Cup, Temple Challenge Cup oder Princess Grace Challenge Cup. Letzterer ist benannt nach der Schauspielerin Grace Kelly, später Fürstin Gracia Patricia von Monaco, deren Vater John Kelly drei olympische Goldmedaillen errudert hatte, aber nie in Henley starten durfte.

Tageskarten (Foto: Stephan Ploke)

Stephan Ploke links im Bild (Foto: T. Marx)

 

Den besten Blick auf die Ziellinie hat man von der Stewards‘ Enclosure aus. Hier haben allerdings nur Mitglieder und ihre Gäste Zutritt. Mitglied werden ist möglich, aber nicht trivial und selbst, wenn man die Aufnahmebedingungen erfüllt, gibt es oft Wartezeiten von zehn Jahren und mehr. Wie gut, dass drei unserer Club-Mitglieder ebenso Mitglied in Henley sind und den Weg ins Allerheiligste ebnen können.

Hamburger Schülerachter (Alter Teichweg)
Nando Schmidt (ganz links), Kay Rückbrodt (2.v.l.), Niklas Hilgenberg (5.v.l.), Ole Rückbrodt (ganz rechts) Foto: privat

 

Dieses Jahr aktiv dabei war ein Hamburger Schülerachter von der Schule Alter Teichweg, der sich 2022 über einen Sieg bei Jugend trainiert für Olympia den Startplatz in Henley gesichert hatte. An Bord unser Mitglied Niklas Hilgenberg sowie unser ehem. Mitglied Jan-Louis Poche. Die Jungs fuhren im Princess Elisabeth Challenge Cup in ihrem ersten Rennen direkt gegen die späteren Sieger von der St. Edward’s School, sind gleichwohl eine super Zeit gefahren (viertschnellste Zeit am ersten Tag) und werden hoffentlich bei Gelegenheit wieder in Henley antreten.

Kenneth Carow 2.v.r. (Foto: Nando Schmidt)

Auch ein von Jan Suhrhoff besetzter und Ole und Kay Rückbrodt betreuter Vierer ohne Steuermann startete in Henley im Visitors‘ Challenge Cup. Clubmitglied Kenneth Carow sowie drei Ruderer von der Allemannia gaben alles. Das Boot lag lange eine Bootslänge in Führung, musste sich dann aber der Mannschaft der Cambridge University geschlagen geben, die im März schon das diesjährige Boat Race zwischen Cambridge und Oxford für sich entschieden hatte.

Annabelle Stamer 2vl (Foto privat)

Annabelle Stamer, vorne links (Foto: privat)

 

Ebenfalls in Henley ruderte Clubmitglied Annabelle Stamer. Sie geht in England zur Schule und trat mit ihrer Mannschaft für die Prince Philip Challenge Trophy an. Die Mädchen haben im Achter nur zwei Wochen zusammen trainiert. Um so bemerkenswerter, dass die Mannschaft in der Qualifikation am Freitag vor den Rennen in Henley den zweiten Platz belegen konnte. Schlussendlich wurde es ein guter 11. Platz in der Gesamtwertung. Auch Max Poliza, Ex-Wilhelm-Gymnasiast, ruderte in Henley für seine englische Schule und wir freuen uns, ihn diesen Sommer einige Wochen als Gast bei uns im Club zu haben.

Mit großer Spannung wurde nicht zuletzt das Rennen von Oliver Zeidler (Frankfurter Rudergesellschaft Germania) erwartet, der um den Pokal „The Diamond Challenge Sculls“ im Männer-Einer ruderte und zum dritten Mal den ersten Platz belegte. Hier darf man unbedingt auch mal für andere Clubs jubeln und anfeuern.

Fawley Bar (Foto: R. Marx)

Ja, und dann trifft man natürlich an der Regattastrecke Freunde und Mitglieder befreundeter Vereine, lernt neue Ruderer und Ruderbegeisterte kennen. Der Club war oft in Union mit Ruderern der Akademischen Ruderverbindung Westfalen (Münster) unterwegs, die vom ersten bis zum letzten Tag feierten und anfeuerten.

Die liebenswerten Münsteraner (Foto: privat)

Henley Royal Regatta ist 100 % eine Reise wert, wenn man sich auch nur ansatzweise fürs Rudern interessiert. Um es mit dem Pink Panther zu sagen: Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder – keine Frage!

Picknick in der ersten Reihe (Foto: Christina Schmidt)

Lustig bei Leander (Foto: privat)

Vergnügungsfahrt (Foto: T.Marx)

Treffpunkt Baum (Foto: T. Marx)